In einer sich ständig wandelnden Geschäftswelt stehen Unternehmen zunehmend vor der Herausforderung, sich den immer strenger werdenden ESG-Anforderungen anzunehmen. Dies ist neben den bestehenden Krisen, wie der Energiekrise, der Inflation und steigenden Zinsen, der Rohstoffknappheit und vulnerablen Lieferketten, sicherlich keine einfache Aufgabe.
Doch die Frage, die sich viele Entscheidungsträger stellen, ist: Lohnt sich die umfassende Vorbereitung auf ESG-Anforderungen sofern es noch keine rechtliche Verpflichtung gibt? Es mag auf der einen Seite verlockend erscheinen, Kosten zu minimieren und kurzfristige Gewinne zu maximieren, indem man ESG-Bemühungen auf die lange Bank schiebt.
Doch lohnt es sich, diesen Weg zu gehen, wenn wir die potenziellen langfristigen Auswirkungen in Betracht ziehen? Verpassen wir mit der Verschleppung von ESG möglicherweise die gleichen Vorteile, die wir nun hätten, wenn man frühzeitig und stark genug in die Digitalisierung investiert hätte?
In diesem zwei-teiligen Artikel werden wir direkte Kosten sowie quantitative und qualitative Vorteile gegenüberstellen. Beginnend mit der Untersuchung direkter Kosten der ESG-Vorbereitung , die sich für Unternehmen ergeben können, die sich frühzeitig und engagiert auf diese Anforderungen einlassen. Indirekte Kosten durch Klimaschäden, Rohstoffknappheit etc. sind hier nicht berücksichtigt. Teil 2 soll im Anschluss die Vorteile gegenüberstellen, um die Rentabilität der ESG-Vorbereitung bewerten zu können.
Wie breit muss mein ESG-Management eigentlich aufgestellt sein?
Um die Gesamtkosten für ein ESG-Management abschätzen zu können, stellt sich anfangs die Frage nach der Breite des ESG-Managements im Mittelstand. Sie trägt maßgeblich dazu bei, wie effektiv aber auch kostenintensiv ein Unternehmen seine ESG-Ziele verfolgt. Im Mittelstand gibt es oft begrenzte Ressourcen, daher ist eine kluge Strategie erforderlich. Hier sind die wesentlichen Elemente eines umfassenden ESG-Managements im Mittelstand zusammengefasst:
1. Einbindung der ESG-Expertise in die Organisationsstruktur: Die Frage, ob die ESG-Expertise zentral oder dezentral organisiert sein sollte, hängt von der Größe und der Organisationsstruktur des Unternehmens ab. Größere Mittelstandsunternehmen könnten eine zentralisierte ESG-Abteilung oder -Funktion etablieren, während kleinere Unternehmen möglicherweise ESG-Verantwortlichkeiten an bestehende Abteilungen delegieren können, um Ressourcen effizienter zu nutzen.
2. Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten: Es ist entscheidend, klare Rollen und Verantwortlichkeiten für ESG-Aspekte festzulegen. Dies kann die Ernennung eines ESG-Beauftragten oder eines ESG-Teams umfassen, die für die Implementierung und Überwachung der ESG-Strategie verantwortlich sind.
3. Aufbau der Governance: Eine effektive ESG-Governance umfasst die Entwicklung eines robusten Berichtswesens und Kennzahlensystems, um die ESG-Performance und Risiken zu messen und zu kommunizieren. Dies ermöglicht eine transparente Darstellung der ESG-Leistung und ermöglicht es dem Unternehmen, auf Entwicklungen zu reagieren.
4. ESG-Managementprozesse: Um ESG-Risiken zu managen und Verbesserungs-maßnahmen umzusetzen, sollten klare Prozesse entwickelt werden. Dies kann die Identifikation von ESG-Risiken, die Festlegung von Zielen zur Risikoreduzierung und die Implementierung von Maßnahmen zur Verbesserung der ESG-Performance umfassen.
5. IT-Unterstützung: Die Nutzung von Software und Technologien zur Datenerhebung, -verarbeitung und -analyse ist unerlässlich, insbesondere bei der Verfolgung von Umweltaspekten wie CO2-Emissionen. Die Auswahl geeigneter IT-Lösungen kann die Effizienz und Genauigkeit der ESG-Datenerfassung erheblich verbessern.
6. Mitarbeiterbefähigung: Es ist wichtig, Mitarbeiter in ESG-Kompetenzen zu schulen und zu befähigen. Dies kann Schulungen zur ESG-Bewusstseinsbildung, zur Berichterstattung und zur Integration von ESG-Überlegungen in die täglichen Arbeitsabläufe umfassen.
Letztlich sollte sich die Breite des ESG-Managements im Mittelstand an den individuellen Bedürfnissen und Ressourcen des Unternehmens orientieren. Eine kluge und gut durchdachte Herangehensweise kann nicht nur dazu beitragen, ESG-Risiken zu minimieren, sondern auch Chancen zu identifizieren und langfristige Wettbewerbsvorteile zu schaffen.
In der Realität ist das ESG-Management natürlich ein nur Gerüst, das auf das Tages- sowie auf das Projektgeschäft angewendendet werden muss. Das wichtigste Unterscheidungs-merkmal dabei ist die Professionalität des ESG-Managements. Ob dies professionell oder rudimentär aufzustellen ist, liegt zumeist in der Annahme, ob ein Unternehmen berichtspflichtig ist oder nicht. Eigene Ambitionen werden in der Realität oftmals durch die Kostenintensität gedrosselt.
Sofern ein Unternehmen berichtspflichtig ist und ein Auditor diesen Bericht abnehmen muss, empfiehlt sich direkt mit einem professionellen Management zu starten. Ansonsten ist es der Ambition und den finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens überlassen, wie das ESG-Management aufgebaut werden kann.
Woraus setzen sich die Kosten für ein lebendiges ESG-Management zusammen?
Details zu den einzelnen Positionen:
ESG-Manager: Der Aufbau des ESG-Managements erfordert in der Regel die Einstellung von dediziertem Personal, um Stukuren zu konzipieren, zu etablieren und zu leben. Dazu sind einzelne Programme zu planen, zu überwachen und zu verwalten. In vielen Unternehmen werden spezielle Nachhaltigkeitsrollen geschaffen, wie z.B. der ESG-, Umwelt- oder Nachhaltigkeitsmanager.
Hauptaufgabe des ESG-Managers ist es ESG-Strukturen aufzubauen, um innerhalb ds Unternehmens und entlang der Lieferkette nachhaltig und berichtsfähig zu werden. Daher anzunehmen ist, dass jedes Unternehmen verschieden groß und organisatorisch anders aufgestellt ist, fallen die Kosten für die Rolle des ESG-Managers je nach Unternehmen und Umfang der Maßnahmen unterschiedlich aus. Unter dem Aufbau von ESG-Managementstrukturen versteht sich der Aufbau der ESG-Strategie, Ziele und Prozesse, Kennzahlensysteme und dem dafür benötigten Mitarbeiter Know-how.
Projektressourcen: Projektlaufzeiten für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen bis zu zwölf Monate betragen können. Es ist daher anzunehmen, dass Mitarbeiter dafür funktionsübergreifend abgestellt werden müssen. Rechnet man das mit ein, kann die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit erheblichen Kosten verbunden werden. Je nach ESG-Strukur werden Ressourcen aus anderen Bereichen des Unternehmens mit in ESG-Projekte eingebunden werden oder gar eine leitende Funktion einnehmen. Diese Kapazitäten, z.B. aus dem Einkauf, der Logistik, und der Rechtsabteilung, sind somit anteilig einer ESG-Kostenstelle zuzuordnen.
Externe Ressourcen: Aufgrund der komplexen und weitreichenden ESG-Anforderungen ist eine Unterstützung durch externe Experten gerade am Anfang der ESG-Reise sinnvoll. Mit der Identifikation wesentlicher Themen und daraus abgeleiteten Strategie, Zielen und Maßnahmen können irrelevante Themen ausgeschlossen bzw. depriorisiert werden.
Kosten für die Beschäftigung von ESG-Experten, Nachhaltigkeitsbeauftragten oder externen Beratern sind daher miteinzuberechnen.
ESG-Software & Technologien: Die Studie gibt an, dass fast alle befragten Unternehmen zukünftig auf professionelle ESG-Managementlösungen setzen werden, um geänderte gesetzliche Berichtspflichten wie CSRD oder LKSG zu erfüllen und ein kontinuierliches ESG-Performancemanagement zu unterstützen. 85% der befragten Unternehmen planen eine Software-Lösung anzuschaffen. Vor allem mittelgroße Unternehmen mit 500-750 Mitarbeitern sehen hier den größten Bedarf. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass drei Viertel der befragten Unternehmen bereits ein Budget für die Neuanschaffung einer Software für Nachhaltigkeitsmanagement eingeplant haben. Für Unternehmen, die Ihre ESG-Reise gerade erst beginnen und nicht berichtspflichtig sind, kann ein Start mit Excel sinnvoll sein, um erstmal unternehmensspezifische Anforderungen aufzunehmen bevor man sich teuren Software-Lösungen verschreibt.
Datenbank: Um zum Beispiel die eigenen Geschäftsaktivitäten in CO2-Emissionen zu bemessen, ist der Zugriff auf öffentliche wie kostenpflichtige Datenbanken erforderlich. Die Abfrage von Co2-Daten beim Lieferanten ist, sofern diese Daten verfügbar sind, die besten Daten für Ihre Erfassung. Größere Firmen mit einem breiten Produktportfolio sowie Firmen mit einem sehr hohen Anspruch auf Präzision müssen eher auf kostenpflichtige Datenbanken zugreifen. Ansonsten kann hier ein 80/20-Ansatz hilfreich sein und Produkte in gewisse Kategorien zusammenzufassen und durch CO2-Werte für jene Kategorie rudimentär aufzunehmen.
Wie kann man die Kosten gering halten und womit sollte ein Unternehmen starten?
Die Kosten für den Aufbau eines ESG-Management-Systems können durch effizientes Management und kluge Entscheidungen in verschiedenen Bereichen kontrolliert werden. Hier sind einige Möglichkeiten, wie Sie die Kosten niedrig halten können:
Klare Zielsetzung: Beginnen Sie mit klaren und realistischen Zielen für Ihr ESG-Programm. Vermeiden Sie übermäßigen Aufwand für nicht wesentliche Ziele und konzentrieren Sie sich auf die Bereiche, die für Ihr Unternehmen am relevantesten sind und den größten Mehrwert bieten - folgen Sie dabei automatisch der Empfehlung und den Pflichten der Wesentlichkeitsanalyse innerhalb der CSRD.
Interne Ressourcen nutzen: Nutzen Sie vorhandene Mitarbeiter und Fähigkeiten, anstatt zusätzliches Personal einzustellen, wenn dies möglich ist. Bestehende Teams können oft ESG-Aufgaben übernehmen. Sollten Sie aufgrund mangelnden Kapazitäten und Know-how externe Berater engagieren, eignet sich hier am besten die Einbindung dieser zum Start Ihres Vorhabens. Die Zsammenarbeit kann Ihrem Vorhaben einen Fokus und eine gewisse Struktur geben, die hintenraus Kostenexplosion vermeiden.
Datenmanagement optimieren: Effizientes Datenmanagement ist entscheidend. Stellen Sie sicher, dass Sie vorhandene Datenquellen nutzen und Daten sinnvoll aggregieren, um Doppelarbeit zu vermeiden.
Technologieauswahl: Um schnell und kostengünstig zu starten, sind vorhandene Tools, wie, z.B. Excel zu empfehlen. Durch die flexible Anwendung von Excel können Sie vorab alle wichtigen Anforderungen sammeln, um dann (eventuell) in der Zukunft eine effiziente Software und Technologien für die Erfassung und Analyse von ESG-Daten zu beschaffen. Offene Standards und Datenbanken können helfen, die Kosten niedrig zu halten.
Partnerschaften und Kooperationen: Erwägen Sie Partnerschaften oder Kooperationen mit Organisationen oder anderen Unternehmen, um Ressourcen und Kosten zu teilen, insbesondere bei der Datenerfassung und -analyse. Manche Unternehmen können z.B. von einer übergeordneten Holdingstruktur oder Einkaufskooperation profitieren.
Schulung und Bewusstseinsbildung: Statt teurer externer Schulungen können Sie auf kostenfreie Schulungsprogramme im Internet zurückgreifen. Diese sind jedoch oft generisch und müssen auf Ihre Branche und Ihr Unternhemen angewandt werden.
Agile und schrittweise Implementierung: Starten Sie Ihr ESG-Programm schrittweise und konzentrieren Sie sich auf die wichtigsten Bereiche zuerst. Sie können Ihr Programm im Laufe der Zeit erweitern, wenn Ihre Ressourcen zunehmen.
Nach abschließender Betrachtung der direkten Kostenschätzungen kann festgehalten werden, dass die ESG-Vorbereitung einen erheblichen finanziellen (und organisatorischen) Aufwand für klein- und mittelständische Unternehmen darstellt. Ob sich die Mühen trotz fehlender gesetzlicher Pflichten dennoch lohnt, wird anhand der Untersuchung und Gegenüberstellung der Vorteile im nächsten Teil konkret beleuchtet.
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